»Seien Sie vorsichtig, der Schrank wackelt«, sagte sie.
Zerhackte Knochen. Maggikraut. Ich erwähnte mein Rezept. Wir trugen alles, was wir brauchten, auf einem Tablett ins Wohnzimmer, und ich wartete auf irgendeine Fortsetzung, aber die kam nicht. Wir saßen gemeinsam an Frau Bergers Tisch, so wie schon unzählige Male zuvor. Mir gefielen ihre Porzellantassen außerordentlich, sie waren gelb, und eine von ihnen hatte einen Sprung. Frau Berger jedoch ordnete nur stumm ihre Spielkarten und ihre Kreuzworträtselhefte, obwohl es bereits nach acht Uhr war. Das Zimmer, in dem wir saßen, war voll mit irgendwelchen Dingen. Bilder, Vorhänge, Pillenschachteln auf einem Nebentisch, Videogeräte, und dazu Grünpflanzen, die vielleicht nicht viel jünger waren als ihre Besitzerin. Alles hatte seinen Platz, alles war aufgeräumt und geputzt, nur die Farbe an den Wänden und der Decke war vom Zigarettenrauch nachgedunkelt, wie in einem uralten Wiener Kaffeehaus. Es blieb mir ein ewiges Rätsel, ob das ein Zeichen für Echtheit oder einfach nur ekelig war. Mitten in all dem Kram saß Frau Berger wie auf einem Gemälde, und genau wie auf einem Gemälde schwieg sie. Warum war sie heute so still? Sonst redete sie doch ununterbrochen. Ich wartete eine Minute und noch eine zweite, aber als die Hausherrin ihrem Besuch immer noch keinerlei Aufmerksamkeit schenkte, beschloss ich, selber direkt zur Sache zu kommen.
»Schweinsbraten? Warum in aller Welt will jemand, der nicht hier geboren ist, unbedingt zum Feiertag Schweinsbraten machen?«, gab Frau Berger zur Antwort. »Warum quälen Sie sich? Lassen Sie es doch sein.«
Sie war aus ihrer Trance erwacht und sah mich mit erstaunt aufgerissenen Augen an. Sie hatte geglaubt, dass ich lieber ein finnisches Gericht zubereiten würde, und was wird in Finnland überhaupt gegessen? Ich lachte. Frau Berger scherzte bestimmt, auf Kosten von Ausländern ging das natürlich immer leicht. Sollte ich der Verwandtschaft, die nicht mal schwimmen konnte, etwa Heringsauflauf anbieten, fragte ich, und ob sie überhaupt ahnte, was Heringsauflauf war? Natürlich nicht. Als Einheimische musste sie doch wissen, dass am Feiertag für die Familienmitglieder des Österreichers nur ein einziges Gericht in Frage kam, dessen Name nicht extra erwähnt werden musste.“
Der perfekte Schweinsbraten, Transit-Verlag 2013